Umwelt retten? JA, aber #NichtaufunseremRücken!

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Warum uns „grünes Wachstum“ und CO2-Steuer nicht helfen – und was stattdessen zu tun ist.

Klima- und Umweltschutz sind zunehmend in der öffentlichen Debatte angekommen. Einen wichtigen Beitrag dazu hat eine erstarkende Klimabewegung geleistet, die hunderttausende Menschen auf die Straße gebracht hat.  Sie hat viel Aufmerksamkeit erzeugt mit groß angelegten Aktionen zivilen Ungehorsams in den Tagebauten, an Gaspipelines oder an andere Orte der Zerstörung unserer Umwelt verdeutlichen. Auch dass die Folgen der Klimakrise zunehmend vor unserer eigenen Haustür stehen, dürfte dazu beigetragen haben – denken wir an die Dürresommer der letzten Jahre oder an die Flutkatastrophe im Juli 2021. 

Doch trotz des zunehmenden Drucks von der Straße und den immer lauteren Warnungen auch von nicht systemkritischen Wissenschaftler:innen, werden höchstens halbherzige Klimaschutzmaßnahmen beschlossen, die nicht annähernd ausreichen, um den ökologischen Kollaps aufzuhalten. Im Gegenteil: Global steigen die Treibhausgasemissionen sogar weiter [4, 5] und viele ökologischen Grenzen unseres Planeten sind bereits überschritten [6]. Wie kann das sein?

Die Ursachen der Klimakrise

Die Klimakrise ist menschengemacht. Darüber herrscht wissenschaftlicher Konsens. Dieser einfache Satz verschleiert allerdings, dass es nicht die Menschen an sich sind, die die Umwelt und unser Klima zerstören, sondern eine bestimmte Art des Wirtschaftens. So sind 90 Unternehmen für fast 2/3 der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich [2] und eine von großen Handelsketten auf Profit getrimmte Landwirtschaft befeuert das Artensterben und die Klimakrise [3].

Die Art des Wirtschaftens, die unseren Planeten zerstört, ist der Kapitalismus, denn im Kapitalismus wird nicht produziert, um die Bedürfnisse der Menschen zu befriedigen, sondern um den Profit einer kleinen Klasse von Unternehmensbesitzern, CEOs und Großaktionären zu maximieren. Die auf dem Markt herrschende Konkurrenz führt dazu, dass Unternehmen ständig daran arbeiten, ihren Gewinn zu maximieren und zu wachsen, denn wenn sie es nicht tun, werden sie vom Markt verdrängt und andere Bosse nehmen ihrem Platz ein.

Dieser ewige Wachstumszwang wird auf dem Rücken der Arbeiter:innen und der Umwelt ausgetragen: Arbeiter:innen müssen zu Hungerlöhnen und unter schlechten Arbeitsbedingungen schuften, wodurch Kapitalisten wie der Tesla-Chef Elon Musk oder Amazon-Boss Jeff Bezos zu den reichsten Männern der Welt aufsteigen. Geräte werden absichtlich so gebaut, dass sie schnell kaputt gehen und kaum zu reparieren sind, damit die Unternehmen möglichst viel verkaufen können. Und bei Umweltkatastrophen werden meist nicht die schuldigen Kapitalist:innen zur Kasse gebeten, sondern die Allgemeinheit muss die Bekämpfung der Umweltzerstörung über ihre Steuerabgaben finanzieren.

Es gibt keinen grünen Kapitalismus

Nun kann man einwenden, dass die aktuelle kapitalistische Produktionsweise nur deshalb so zerstörerisch sei, weil sie auf fossilen Energien basiere und wichtige Rohstoffe verschwende. Dass also mit dem Einsatz erneuerbarer Energien und mit dem Aufbau einer Kreislaufwirtschaft ein „grüner“ Kapitalismus möglich sei. Dieses Argument übersieht aber sowohl die grundlegende Funktionsweise des Kapitalismus als auch die Grenzen unseres Planeten.

Die kapitalistische Produktionsweise und ihr Zwang zu ständigem Wachstum benötigt aber immer mehr Energie, die weder sozial noch ökologisch gerecht gedeckt werden kann. Selbst mit regenerativen Energien könnte dieser steigende Energiebedarf nur auf Kosten von massiven Eingriffen in die Natur umgesetzt werden. Beispielsweise enthalten Solaranalagen oder Akkus viele seltene Rohstoffe, die im Kapitalismus unter katastrophalen Bedingungen für Mensch und Natur abgebaut werden. Auch Wasserkraftwerke zerstören durch die massiven Eingriffe in Flussläufe ganze Ökosysteme und gefährden die Lebensgrundlage der Menschen, die an den Wasserläufen leben. Aber selbst eine solche Energiewende kann offensichtlich nicht rechtzeitig durchgeführt werden. In einer geplanten Wirtschaft hätte man Kontrolle über die eigene Produktion, könnte ohne Widerstand einzelner Kapitalfraktionen die Energiewende deutlich schneller durchführen und zudem den generellen Energieverbrauch geplant senken.

Auch die Idee einer Kreislaufwirtschaft im Kapitalismus ist nicht mehr als ein bürgerlicher Traum, da der Abbau von Rohstoffen und die Neufertigung von Produkten immer profitabler sein werden als eine vollständige Wiederverwertung. Das liegt daran, dass eine (fast) vollständige Kreislaufwirtschaft ein hohes Niveau der Technisierung in allen Ländern voraussetzt und den Wegfall vieler einfacher manueller Handarbeiten bedeutet, wie sie beispielsweise beim Coltan-Abbau oder bei der Baumwollernte häufig zum Einsatz kommt. Da aber eine ungleiche Entwicklung der Länder Voraussetzung für den Extraprofit der Kapitalisten ist – den sie aus imperialistisch ausgebeuteten Ländern ziehen – und überhaupt nur die menschliche Arbeit die Quelle ihres Mehrwerts ist, würde sich der Kapitalismus damit sein eigenes Grab schaufeln.

Dazu kommt, dass der Kapitalismus uns von der Natur entfremdet. In diesem System wird die Natur nicht als unsere notwendige Existenzbedingung betrachtet, sondern als eine Ressource, die nach Belieben ausgebeutet werden kann. Ein Leben im Einklang mit der Natur ist unter dieser Prämisse nicht denkbar.

Hinter dem pro-kapitalistischen „Klimaschutz“ steht imperialistische Geopolitik

Dass der bürgerliche Staat Instrument der Kapitalistenklasse  zur Absicherung ihrer Macht und Unterdrückung der beherrschten Klasse ist, zeigt sich auch in Sachen Klima- und Umweltschutz.

Nachdem die Klimakrise jahrzehntelang mehr oder weniger wegignoriert wurde, lassen sich nun die wachsenden Klimaschäden nicht mehr ignorieren. Hinzu kommt ein gewisser Druck von der Straße, den das deutsche Kapital aber versucht geschickt einzufangen.  

Anstatt an die Wurzel der Umwelt- und Klimakrise, den Kapitalismus, zu gehen, wird von „grünem“ Wachstum oder „Green New Deal“ gesprochen und die kapitalistische Zerstörung einfach grün angemalt. Das geschieht zum Beispiel, indem E-Autos als Lösung für die Umweltzerstörung des Verkehrssektors propagiert werden, obwohl sie selbst Unmengen an Rohstoffen verbrauchen und kein einziges Problem des motorisiertes Individualverkehrs lösen. 

Tatsächlich wird unter dem Banner des Klimaschutzes jedoch ein grundlegender Umbau der deutschen industriellen Basis vorangetrieben, welche Deutschland strategisch unabhängiger von fossilen Rohstoffen machen soll und zugleich versucht ein Wettbewerbsvorteil im internationalen Konkurrenzkampf mit China, Indien und Russland zu sein. Ein kalkulierter Angriff auf die fossile Energieproduktion, etwa über internationale Verträge und Strafzölle, wird zusätzlich genutzt, um chinesische Expansionspläne zu bremsen und um Indien und Russland unter Druck zu setzen. Denn gerade diese Länder sind für ihre Entwicklung noch lange Zeit auf fossile Brennstoffe wie Kohle, Öl und Gas angewiesen. Das gilt für die G7-Staaten heute so nicht mehr. Zwar waren sie fast ein Jahrhundert lang Vorreiter der Umweltzerstörung, während China und Indien erst in den letzten Jahrzehnten zu ernsthaften Konkurrenten wurden. 

Doch aufgrund der bereits entwickelten industriellen Basis und langfristigen Neuausrichtung können die G7-Staaten inklusive Deutschland den Anteil ihrer fossilen Energieproduktion deutlich schneller herunterfahren als ihr aufstrebender Konkurrent in Asien. Ein kalkulierter Angriff auf die fossile Energieproduktion, etwa über internationale Verträge und Strafzölle, ist also ein effektiver Weg, um chinesische Expansionspläne zu bremsen und und Indien und Russland unter Druck zu setzen.

Es geht also um den Machtkampf mit anderen imperialistischen Staaten wie China und Russland, und dieser Machtkampf wird eben auch auf den Feldern der Energieversorgung und der technologischen Vorherrschaft ausgetragen.

Klimaschutz JA, aber #nichtaufunseremRücken!

Während das Kapital also unter dem Banner von „Klimaschutz“ knallharte Geopolitik macht, werden die Kosten für den Klimaschutz auf die Arbeiter:innen abgewälzt. Beispielsweise sollen die Kohlekonzerne in Deutschland 4 Milliarden Euro Steuergeld als „Entschädigung“ für den Kohleausstieg bekommen, obwohl sie Umwelt und Klima zerstört haben, den Kohleausstieg verschleppt haben und seit Jahrzehnten fette Subventionen für die Kohleverstromung kassieren. Entschädigungen, die aus den Steuern finanziert werden, die im wesentlichen durch uns Arbeiter:innen gezahlt werden. 

Auch der Ansatz, die Umweltschäden auf den Preis von Produkten aufzuschlagen – z.B. durch eine CO2-Steuer – bedeutet faktisch, dass wir als Verbraucher:innen die Profite noch stärker mitfinanzieren müssen, die die Kapitalisten auf Kosten von Menschen und Umwelt einheimsen. 

Das selbe gilt für höhere Lebensmittelpreise, die kürzlich der „grüne“ Landwirtschaftsminister Özdemir angekündigt hat. Anstatt tatsächlich für eine ökologische Landwirtschaft einzutreten und dafür die Handelsunternehmen wie Aldi, Lidl und Co zu zwingen den Landwirten mehr übrig zu lassen, will Özdemir, dass wir Arbeiter:innen für die Profite von den Discounter-Bossen wie Dieter Schwarz und den Aldi-Brüdern aufkommen.

Klimaschutz heißt Klassenkampf

Wirksamer Klimaschutz ist tatsächlich nur möglich, wenn der Kapitalismus mit seinem Profitstreben, seinem Wachstumszwang und seiner ständigen Überproduktion überwunden wird. Stattdessen brauchen wir ein Wirtschaftssystem, in dem die Produktion auf die Bedürfnisse der Menschen abgestimmt wird und sich innerhalb der Grenzen unseres Planeten bewegt. Diesen Schritt wird keine Regierung für uns gehen. Deshalb müssen wir den Kampf für Klimagerechtigkeit mit dem Klassenkampf verbinden: Ökologie muss ein Thema revolutionärer Organisationen sein und Klassenkampf eines der Klimabewegung. 

Das bedeutet auch individualistische Ansätze alla „Wenn wir alle aufhören zu fliegen / Auto zu fahren / Plastiktüten zu kaufen, bekommen wir den Klimawandel in den Griff“ zu entlarven und einen klassenbewussten Klimaschutz an ihre Stelle zu setzen. Wir müssen die Angriffe auf unsere Lebensbedingungen in Form von CO2-Steuer, Fleischsteuer, Verkehrssteuer usw. zurückschlagen und stattdessen die Konzerne in den Mittelpunkt der Kritik stellen.

Erst so kann die Klimabewegung Teil des ideologischen, wirtschaftlichen und politischen Kampf gegen den Kapitalismus werden. Erst so wird es uns gelingen eine wirklich breite Arbeiter:innenbewegung aufzubauen, die Klimaschutz und gute Lebensbedingungen jenseits des Kapitalismus erkämpfen kann. 

Literatur

1.        Bauchmüller M, Mühlauer A (2018) So wollen Lobbyisten strengere Klimaziele verhindern. https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/klimawandel-lobby-klimaziele-1.4134469

2.        Heede R (2014) Tracing Anthropogenic Carbon Dioxide and Methane Emissions to Fossil Fuel and Cement Producers, 1854–2010. Climatic Change 122(1-2):229–241. doi:10.1007/s10584-013-0986-y

3.        Heinrich-Böll-Stiftung, Rosa-Luxemburg-Stiftung, Bund für Umwelt- und Naturschutz e.V., Oxfam Deutschland, Germanwatch, Le Mnde diplomatique (2017) Konzernatlas. Daten und Fakten über die Agrar- und Lebensmittelindustrie, 2. Aufl

4.        Our World in Data (2021) Global CO₂ Emissions From Fossil Fuels and Land Use Change. https://ourworldindata.org/grapher/global-co2-fossil-plus-land-use?country=~OWID_WRL. Zugegriffen: 17. Dezember 2021

5.        Our World in Data (2021) Total Greenhouse Gas Emissions. https://ourworldindata.org/grapher/total-ghg-emissions?tab=chart&country=~OWID_WRL. Zugegriffen: 17. Dezember 2021

6.        Stockholm Resilience Centre (2021) Planetary Boundaries. https://stockholmresilience.org/research/planetary-boundaries.html. Zugegriffen: 17. Dezember 2021

7.        Wie ExxonMobil Zweifel an Klima-Forschung streute. https://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/studie-exxonmobil-soll-oeffentlichkeit-beim-klimawandel-irregefuehrt-haben-a-1164218.html. Zugegriffen: 17. Dezember 2021

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