Konsequent das Patriarchat bekämpfen!

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Denken wir heute daran, wie wir uns eine bessere Zukunft vorstellen, dann ist klar, dass wir damit eine Gesellschaft meinen, in der alle die gleichen Rechte und Möglichkeiten haben. Wir meinen eine Gesellschaft, in der niemand ökonomisch benachteiligt oder vom Partner abhängig ist, in der häusliche Gewalt der Vergangenheit angehört und sowohl Hausarbeit als auch andere Arbeiten von der gesamten Gesellschaft getragen werden. Neben dem Kapitalismus als gesamtes System spielt hier auch das Unterdrückungs- und Ausbeutungsverhältnis Patriarchat eine besondere Rolle. Das Kernelement des Patriarchats ist die Ausbeutung und Unterdrückung der Frau.

Aufbauend auf diesem Kernelement betrifft das Patriarchat aber nicht nur Frauen, sondern auch Menschen, die außerhalb des binären Geschlechtersystems stehen, die also nicht das Geschlecht haben, das ihnen bei der Geburt zugeordnet wurde, oder intergeschlechtlich sind. Auch Personen, die nicht heterosexuell sind, erfahren in unserer patriarchalen Gesellschaft Unterdrückung. Das Patriarchat richtet sich also gegen all jene, die das binäre Geschlechtersystem sowie das Bild der Vater-Mutter-Kind Familie sprengen. Diese Gruppe von Menschen bezeichnen wir als LGBTI+, was für Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche Personen steht.

Wie spiegelt sich das Patriarchat in unseren Nachbarschaften wieder?

Das Patriarchat zeigt sich in allen Bereichen unseres Lebens, also natürlich auch bei uns zu Hause, in den Häusern, Straßen und Stadtteilen, in denen wir wohnen. Wir merken schon als Kinder, dass ein großer Teil der Hausarbeit an unseren Müttern hängen bleibt. Was uns in dieser Phase meist noch nicht bewusst ist, ist wie viel Aufwand das jeden Tag für die Frauen in unserem Leben bedeutet. Hinzukommt, dass viele Frauen durch diese Arbeit stark vom Rest der Gesellschaft abgegrenzt werden, weil sie voll und ganz mit Lohn- und Hausarbeit ausgelastet sind. Bei vielen migrantischen und geflüchteten Frauen verschärft sich dieses Problem zusätzlich durch Sprachbarrieren.

Sehen wir uns die Viertel an, in denen wir leben, dann fehlt es an vielen Stellen an Kita- und Betreuungsplätzen, oft aber auch an kostenlosen Freizeitangeboten für Kinder und an einfachen Dingen wie Parks, Spiel- oder Bolzplätzen. Auch das trifft in der Konsequenz Frauen und Alleinerziehende besonders, denn sie sind es, die diesen Mangel in der Kinderbetreuung auffangen müssen. Im Gegenzug sehen wir dann allerdings auch, dass es gerade sie sind, die sich häufig besonders stark für die Belange von Kindern und Jugendlichen in ihren Stadtteilen einsetzen.

Für Frauen ist es durch diese Mehrbelastung häufig nahezu unmöglich, Vollzeit zu arbeiten. Fast die Hälfte aller Frauen arbeitet deshalb in Mini- oder Teilzeitjobs. Egal ob Vollzeit oder Teilzeit, Frauen erhalten in der Regel niedrigere Löhne als Männer, die die gleiche Arbeit verrichten. Am Ende ihres Lebens macht sich das dann häufig in einer mickrigeren Rente für Frauen bemerkbar und so kommt es, dass es in fast allen Arbeiter:innenvierteln heute massenweise Frauen gibt, die an der Grenze zur Altersarmut oder schon in Armut leben.

Die Unterdrückung von Frauen und auch von LGBTI+ gipfelt immer wieder in Gewalt und auch in Femiziden. Diese werden in der Regel in den eigenen vier Wänden ausgeübt, also durch den Partner, Ex-Partner oder männliche Familienmitglieder. In vielen Städten mangelt es an Frauenhäusern, sowie anderen Anlaufstellen und Angeboten, um sich vor patriarchaler Gewalt zu schützen. Die Gewalt ist uns dabei ganz nah, sie passiert in unserem Viertel, unserem Umfeld und vielleicht sogar in unserer Familie. Umso wichtiger ist es, dass wir in den Stadtteilen, in denen wir leben und uns organisieren, einen Kampf dagegen führen.

Konsequenter Kampf für die Befreiung der Frau bedeutet Kampf für den Sozialismus

Dass all diese Probleme im Kapitalismus auftreten, ist kein Zufall, sondern liegt daran, dass der Kapitalismus und das Patriarchat eng miteinander verwoben sind. Der Kapitalismus profitiert auf vielfältige Art vom Patriarchat durch die unbezahlte Hausarbeit, aber auch davon, dass die Löhne der Frauen gedrückt werden und das Patriarchat unsere Klasse als Gesamtes spaltet.

Der Kampf für die Befreiung aller Geschlechter ist also untrennbar mit dem Kampf für eine Gesellschaft verbunden, die nicht auf Ausbeutung und Unterdrückung fußt. Wir wollen uns dabei nicht nur auf die Bekämpfung von Symptomen fokussieren, wie z. B. die Forderung nach mehr Frauenhäusern, um die Folgen der Gewalt an Frauen abzuschwächen. Wir müssen schon jetzt für eine Gesellschaft eintreten, in der diese Gewalt gar nicht erst erzeugt wird.

Ein zentraler Schritt ist dabei die Vergesellschaftung der Haus- und Pflegearbeit, die heute vor allem von Frauen verrichtet wird. Doch was bedeutet das für unsere Nachbarschaft?

Es bedeutet, dass die Verantwortung für die Betreuung von Kindern und pflegebedürftigen Personen nicht mehr allein auf den Schultern der Mütter und Angehörigen lastet. Kitas und andere Betreuungseinrichtungen müssen flächendeckend vorhanden sein. Es bedeutet auch, dass wir die Last des Kochens und Waschens immer mehr als Gesellschaft tragen werden, z. B. in Form von Stadtteilkantinen und Wäschereien.

Zudem bedeutet es, echte demokratische Mitbestimmung in allen Bereichen des Lebens zu erkämpfen. Wir wollen unter anderem Räte für Kindergärten, Schulen und Nachbarschaften einführen, die dies ermöglichen. In Frauenräten liegt die Macht zur Umgestaltung in den Händen der Frauen – die Räte  sollen dafür sorgen, dass permanent an der Gleichstellung aller Geschlechter gearbeitet wird. Es erfordert eine große, gemeinsame Anstrengung, den tief verankerten patriarchalen Denkweisen in unseren Köpfen entgegenzutreten und einen fortlaufenden Kampf gegen das Patriarchat in allen Bereichen der Gesellschaft, sei es in der Kultur, in Bildungseinrichtungen oder anderen Arbeitsbereichen, zu führen.

Was können wir als Stadtteilorganisation gegen das Patriarchat tun?

Wir alle tragen heute die Verantwortung, den Kampf gegen das Patriarchat zu führen. Wo können wir das besser als in unserem Alltag, bei uns zu Hause, in unserem Stadtteil?

Wir alle wachsen im Patriarchat auf, das bedeutet, dass jede:r Einzelne von uns das Patriarchat und die damit verbundenen Rollenbilder in sich trägt. Wollen wir es bekämpfen, dann können wir uns nicht darauf beschränken, die Auswirkungen des Patriarchats in unserer Umwelt zu bekämpfen. Wir müssen auch an uns selbst arbeiten und patriarchales Verhalten auch im eigenen Leben und in der eigenen Organisation bekämpfen.

Das erfordert von allen von uns die ständige Arbeit daran, Geschlechtsbewusstsein herauszubilden, also ein Bewusstsein darüber, welche Rolle wir im Patriarchat einnehmen und wie wir diese verändern können. Das muss jeden Tag im Umgang miteinander geschehen, indem wir uns gegenseitig auf Dinge aufmerksam machen und kritisieren. Zusätzlich braucht es die gezielte Arbeit in Seminaren und Bildungsveranstaltungen zum Patriarchat.

Als Solidaritätsnetzwerk streben wir danach, eine fortschrittliche Kultur und einen Umgang auf Augenhöhe unter allen Geschlechtern zu fördern, ob in unseren Nachbarschaftszentren, bei Treffen, Stammtischen oder anderen Aktionen.  Wir wollen verschiedene Kämpfe miteinander verbinden! Das kann nur mit einer entschlossenen Arbeit gegen das Patriarchat in unseren Stadtteilen gelingen. Sei es der Arbeitskampf der Erzieher:innen gemeinsam mit den Eltern oder sei es der Kampf gegen die Schließung eines LGBTI+ Zentrums. Wir kämpfen auch heute schon für einen neuen Spielplatz, gegen einen sexistischen Vermieter, schaffen spezielle Möglichkeiten für Mütter, um sich politisch zu organisieren oder gehen als Frauen am 8. März, dem internationalen Frauenkampftag, auf die Straße. Wir setzen auf Organisierung von unten, auf gemeinsame Aktionen und direkte Kämpfe für unsere Interessen.

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