Am Samstag fand in Köln die zweite Ausgabe unserer Solidarischen Runde statt. Bei der Solidarischen Runde wollen wir jeden Monat bei uns im Internationalen Zentrum in Vingst zusammen kommen, um über die aktuelle politische Lage zu diskutieren und nach Wegen zu suchen, bei uns im Stadtteil aktiv zu werden.
Unser Thema dieses Mal: Palästina-Solidarität und Klassenkampf! In Vingst, einem Stadtteil mit vielen Migrant:innen, ist die Solidarität mit Palästina nach wie vor groß. Das konnten wir in den letzten Wochen in zahlreichen Gesprächen auf der Straße und bei verschiedenen Kundgebungen feststellen. Was man jedoch hier in Deutschland tun kann, um konkreten Widerstand gegen das Morden in Gaza zu leisten, ist für viele nicht so leicht zu beantworten. Deshalb dachten wir uns: Lasst uns drüber diskutieren!
Bei der Solidarischen Runde am Samstag konnten über die Lage in Palästina sprechen und wie sich diese seit dem 7. Oktober 2023 verändert hat. Diesen nahm die israelische Armee nämlich zum Anlass, einen Völkermord an den Menschen in Gaza zu verüben und damit seine jahrzehntelange Vernichtungspolitik massiv auszuweiten. In Deutschland führte das zu einer neuen Welle palästinasolidarischer Proteste, die nun – ein Jahr nach dem Beginn der Bodenoffensive auf Gaza – an einem Scheideweg stehen. Die Forderungen der Bewegung werden von der deutschen Politik nicht gehört, was die Frage aufwirft, wie die Dynamik der Proteste aufrecht erhalten werden kann. Wir diskutierten, dass Palästina-Solidarität in Deutschland auch bedeuten muss, die Verwicklung des deutschen Kapitals, nicht zuletzt der Rüstungsindustrie, in den Krieg in Gaza zum Thema zu machen. Angesichts einer kapitalistischen Politik, die am Morden auf der Welt mitverdienen will, ist es unsere Aufgabe als Arbeiter:innenklasse, eine Welt zu erkämpfen, in der wir internationale Solidarität konkret in die Praxis umsetzen können.
Im Anschluss an die Diskussion aßen wir noch gemeinsam Chili sin Carne und ließen den Abend gemeinsam ausklingen. Du möchstest auch mal bei der Solidarischen Runde dabei sein? Der nächste Termin ist Samstag, der 07. Dezember, um 19 Uhr in der Homarstr. 64. Dort werden wir über den aktuellen Aufstieg des Faschismus und wie sich dieser auf die Lage von Frauen auswirkt diskutieren. Komm vorbei!
Hier teilen wir noch unseren Input, mit dem wir die Diskussion am Samstag eröffnet haben:
Wir haben unsere Solidarische Runde heute ja unter folgendes Motto gestellt: Palästina-Solidarität und Klassenkampf – Wie können wir internationale Solidarität in unseren Stadtteil tragen?
Da werden direkt schon einige Schlagworte genannte, bei denen man sich fragen kann, wie passt das eigentlich jetzt zusammen?
Was hat denn die Solidarität mit den Menschen in Palästina und ihrem Befreiungskampf mit dem Klassenkampf hier in Deutschland, also dem Kampf der arbeitenden Bevölkerung gegen Ausbeutung und Unterdrückung, zu tun? Und welche Rolle spielt dabei unser Stadtteil hier in Vingst, oder auch andere Viertel hier auf der Schäl Sick?
Es ist erst Mal völlig normal sich diese Fragen zu stellen. Ich glaube aber, dass diese Dinge eigentlich sehr viel miteinander zu tun haben. Der Krieg in Palästina findet nicht nur weit entfernt statt. Der israelische Staat wird dabei auch von der deutschen Bundesregierung und von deutschen Rüstungskonzernen tatkräftig unterstützt. Deshalb denke ich, dass wir beim Widerstand gegen diesen Krieg nicht nur auf Gaza schauen sollten, sondern unseren Kampf genau so gegen die Akteure richten sollten, die den Völkermord an den Palästinenser:innen offenbar legitim finden von Deutschland aus Öl ins Feuer gießen – in Worten und in Taten.
Das alles läuft eigentlich auf die Frage hinaus, was wir hier in Deutschland gerade aktiv gegen diesen Völkermord tun können – ein Jahr nach Beginn der Bodenoffensive auf Gaza. In den vergangenen zwölf Monaten gab es sehr viele Proteste für Palästina mit ganz verschiedenen Aktionsformen. Es ist erst Mal stark, dass hier so viele Menschen auf die Straße gegangen sind und sich eine gewisse Dynamik entfaltet hat. Man muss hier aber auch aufpassen, dass diese Proteste nicht irgendwann ins Leere gehen, die moralischen Appelle und an die deutsche Politik einfach ignoriert werden und die Dynamik irgendwann verloren geht. Wir müssen als palästinasolidarische Bewegung den nächsten Schritt machen. Und da kommt der Klassenkampf meiner Meinung nach ins Spiel – ich denke, da können wir später auch noch viel drüber diskutieren.
Davor möchte ich in aller Kürze einen Überblick darüber geben, wie wir als Soli-Netz die Lage in Palästina, insbesondere seit dem 7. Oktober 2023, einschätzen.
Widerstand gegen den israelischen Staat, der die Palästinenser:innen aus ihren Heimatorten vertreibt, in Gaza wie in einem Freiluft-Gefängnis zusammenpfercht, demütigt und ermordet, halten wir prinzipiell für legitim. Diesen Widerstand gibt es auch schon seit vielen Jahrzehnten, wobei immer wieder unterschiedliche Gruppen und politische Strömungen diesen Widerstand angeführt haben. Wir würden gleichzeitig nicht vertreten, dass die gesamte israelische Bevölkerung als Siedler:innen keinen Platz in Palästina haben – im Laufe des 20. Jahrhunderts hat sich dort eben eine israelische Nation und auch eine israelische Arbeiter:innenklasse historisch entwickelt. Die Interessen der israelischen Arbeiter:innen sind nicht gleichzusetzen mit denen des zionistischen Staates. Klar ist jedoch, dass dieser Staat Israel in seiner heutigen Form ein imperialistisches Projekt ist, bei dem es darum geht, in Westasien einen starken Verbündeten für die USA und andere westliche Staaten aufzubauen, um dort geostrategischen Einfluss zu nehmen. Mit diesem Staat ist kein Frieden möglich.
Was ist nun am 7. Oktober 2023 passiert? Palästinensische Widerstandskämpfer, angeführt von der islamistischen Hamas, konnten der israelischen Armee einen empfindlichen Schlag versetzen mit verschiedenen militärischen Angriffen. Die Hamas spekulierte darauf, dass sie vor dem Hintergrund des Ukrainekriegs, der weltweit die Aufmerksamkeit und die militärischen Ressourcen auf sich zog, einen günstigen Moment hätte, um einen Vorstoß gegen Israel zu wagen. Unterstützt wurde die Hamas vom iranischen Regime, das zu dieser Zeit ein Interesse an einer gewissen Eskalation der Lage in Palästina hatte, um die Beziehungen zwischen Israel und Saudi-Arabien, einem Konkurrenten des Iran, zu verschlechtern.
Die israelische Armee aber nahm den Angriff der Hamas zum Anlass, ihre jahrzehntelange Vernichtungspolitik massiv auszuweiten, in Gaza zehntausende Zivilist:innen zu massakrieren und damit einen Völkermord zu verüben.
Hier in Deutschland führte dieser Völkermord zu einer neuen Welle palästinasolidarischer Proteste, auf die vom Staat mit einem neuen Level an Repression reagiert wurde, zum Beispiel wurden zahlreiche Palästina-Demos verboten. In den Medien wird versucht, die Proteste als antisemitisch zu brandmarken. Viele Menschen haben sich aber in diesen Protesten politisiert und konnten quasi live mitverfolgen, wie völlig legitime Demos gegen einen Völkermord von der Polizei niedergeknüppelt werden. Hat man das einmal miterlebt, verändert das bei vielen Menschen sicherlich ihren Blick auf diesen deutschen Staat.
Man merkt dann, dass moralische Appelle an den Staat wenig bringen. Die deutsche Regierung handelt einzig und allein im Interesse der deutschen Banken und Konzerne, und die stehen nun mal fest an der Seite Israels. Moral spielt da einfach keine Rolle.
Aber wie kann man effektiv gegen den Völkermord in Palästina kämpfen in einem Staat, der keine Moral kennt? Wie kann die palästinasolidarische Bewegung in Deutschland den nächsten Schritt gehen? Und wie können wir den Widerstand gegen den Völkermord überall präsent machen, in jeder Straße in jedem Stadtteil, anstatt ihn einfach so hinzunehmen? All das sind Fragen, die es aus unserer Sicht zu klären gilt, und zu denen wir gerne mit unseren Nachbar:innen ins Gespräch kommen möchten.