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+++Eine Mieterin wehrt sich, die DEWOG kündigt, das Gericht nickt ab++++
+++ Der Kampf ist noch nicht vorbei! +++

Am Dienstag haben wir einen Glühweinstand in der Stegerwaldsiedlung zusammen mit MieterInnen durchgeführt und folgende Erklärung verteilt:

“Roswitha Müller soll ihre Wohnung in der Stegerwaldsiedlung räumen. Das Landgericht Köln hat ihre fristlose Kündigung durch die DEWOG (Deutsche Wohnungsgesellschaft mbH) im November bestätigt.

Was ist der Hintergrund dieses Urteils?
Unter den Etiketten „Grow smarter“ und „Smart City“ werden in der Stegerwaldsiedlung seit Jahren aufwendige Baumaßnahmen durchgeführt. Für die BewohnerInnen bedeutet das vor allem: Extremer und langandauernder Stress durch Lärm, Dreck, Staub und Gefährdungen – und am Ende noch Mieterhöhungen um bis zu 30%! Viele BewohnerInnen sind deshalb schon ausgezogen.

Roswitha Müller wählte einen anderen Weg: Sie wehrte sich. Auf Empfehlung des Mietervereins kürzte sie die Miete. Die DEWOG kündigte ihr daraufhin fristlos den Mietvertrag.

Frau Müller hatte dabei allen Grund, sich zu wehren: In ihrem Haus war es zwischen 2014 und 2018 (!) zu erheblichen Belastungen und Mängeln gekommen: Versperrte Zugangswege und ständiger Baulärm. Zugeklebte Fenster und Balkontüren. Gefährdung der BewohnerInnen durch unsachgemäße Arbeiten: Etwa die Zertrümmerung von asbesthaltigen Platten und die Zerstörung von Abzugskaminen an der Heizungsanlage, sodass giftiges Kohlenmonoxid zeitweise nicht mehr nach außen abziehen konnte.

Ein Fall von Klassenjustiz?
Trotz dieser Mängel bestätigte zuerst das Amtsgericht Köln die fristlose Kündigung – und jetzt, in zweiter Instanz, auch das Landgericht. Beide Gerichte stellten sich voll und ganz auf die Seite der Eigentümerin, der DEWOG. Diese wiederum machte im zweiten Verfahren deutlich, dass sie vor allem eines wollte: Nämlich Frau Müller als Mieterin loswerden. Die DEWOG war dafür sogar bereit, auf einen großen Teil ihrer Geldforderung zu verzichten.

Den umgekehrten Einigungsvorschlag von Frau Müller, nämlich die Forderung zu begleichen und dafür in ihrer Wohnung zu bleiben, wiesen die DEWOG und das Landgericht zurück. Das Gericht geht in seinem Urteil sogar so weit, die „querulatorische Art“ zu rügen, in der Frau Müller ihre Interessen verfolge, bei der sie „insbesondere bemüht war, die Mitbewohner gegen die Vermieterseite (…) aufzuwiegeln“. Sie habe außerdem „völlig unangemessene (…) Einigungsvorschläge“ unterbreitet. Die Bestimmung einer Räumungsfrist erscheine daher „nicht billig und sachgerecht.“

Mit anderen Worten: Frau Müller soll ausdrücklich deshalb, weil sie ihr Recht wahrgenommen hat – nämlich mit anderen MieterInnen über ihre Lage zu sprechen und sich mit ihnen zusammenzuschließen – ohne weitere Frist ausziehen. Man fragt sich unweigerlich: Gilt in diesem Land keine Rede- und Versammlungsfreiheit? Sieht es das Gericht als seine Aufgabe, im Interesse der Eigentümer aufmüpfige MieterInnen zu vertreiben? Will es damit die Grundlage schaffen, um auch bei zukünftigen lukrativen Modernisierungsprojekten für Ruhe zu sorgen? Ist das ein besonders übler Fall von Klassenjustiz?

Und es lohnt sich trotzdem, zu kämpfen
Frau Müller als Mieterin hatte das Gericht nicht auf ihrer Seite. Dennoch hat ihr Kampf gegen die DEWOG gezeigt, dass man etwas herausholen kann, wenn man sich wehrt. Die DEWOG ist von ihrer ursprünglichen Geldforderung abgerückt. Durch ihren Gang durch zwei Instanzen hat sich Frau Müller zudem eine Kündigungsfrist von anderthalb Jahren erkämpft – sonst hätte sie schon im August 2017 ausziehen müssen. Und der Kampf ist nicht vorbei: Ein Gang vor den Bundesgerichtshof wird zur Zeit geprüft.

Der Fall zeigt: Schon gegenüber dem Widerstand einer einzelnen Mieterin musste die Eigentümerin Zugeständnisse machen. Viel mehr noch ist möglich, wenn viele MieterInnen sich gemeinsam wehren! Dass Eigentümer und Gericht genau davor Angst haben, macht das Urteil deutlich.”

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