Die Stadt gehört uns!

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Im Alltag sprechen wir häufig von „unserer Stadt“. Wir gehen in „unserem Viertel“ eine Runde um den Block oder hängen in „unserer Straße“ ab. Aber wem gehört die Stadt eigentlich? Wenn es nach uns geht, dann sollte die Antwort auf diese Frage ganz klar lauten: Die Stadt gehört uns,  den Menschen, die darin wohnen!

    Die Realität sieht heute jedoch deutlich anders aus. Die Stadt gehört den reichen Kapitalist:innen und wird nach ihren Bedürfnissen gestaltet. Ihnen gehören zum größten Teil die Grundstücke, die Gebäude und die Geschäfte, genauso wie die Betriebe. Auf sie hört man im Rathaus, denn sie halten die ökonomische Macht in ihren Händen. Für das Kapital rollt die Politik den roten Teppich aus. Die gesamte räumliche Planung, die Infrastruktur und die Regeln des Zusammenlebens sind in der Stadt darauf ausgelegt, günstige Bedingungen für die Banken und Konzerne, die Vermieter:innen und Investor:innen zu schaffen. Die Stadt wird so zu einem Ort, an dem Ausbeutung und Unterdrückung der Arbeiter:innenklasse sowie die Realisierung der Profite der Kapitalist:innen möglichst effizient organisiert werden.

    Das bedeutet unter anderem, dass die Stadt eine Investitionsmöglichkeit darstellt. Für Einwohner:innen wie Besucher:innen soll sie vor allem ein Ort des Konsums sein. Wer Geld hat, soll in der Stadt möglichst viel davon loswerden. Wer keines hat, wird an den Rand gedrängt – und soll in öffentlichen Räumen nicht sichtbar sein.  Menschen, die sich die fünf Euro für den Kaffee nicht leisten können, sind eben nicht erwünscht. Dieser Umstand trägt auch dazu bei, die Arbeiter:innen „in der Spur“ zu halten: Um am sozialen Leben teilzuhaben, ist man praktisch gezwungen, die Regeln des kapitalistischen Systems zu akzeptieren, möglichst viel zu arbeiten und sich brav ausbeuten zu lassen.

    Während wichtige städtische Infrastruktur, von der unsere Lebensqualität abhängt – sei es im Gesundheitsbereich oder bei sozialen Angeboten – kaputt gespart wird, werden öffentliche Räume zu einem möglichst großen Anteil kommerziell genutzt. Freizeit- und Sportangebote, Toiletten, ja sogar Sitzgelegenheiten, die öffentlich – also ohne Konsumzwang – nutzbar sind, sind vielerorts Mangelware. Das ist insbesondere für Jugendliche frustrierend, die sich eine „normale“ Freizeitgestaltung kaum leisten können. Doch auch alle anderen Menschen mit niedrigem Einkommen, ganz egal ob Geringverdiener:innen, Alleinerziehende, Arbeitslose, Rentner:innen oder Geflüchtete, kennen das Gefühl, von der sozialen Teilhabe am Leben ausgeschlossen zu sein.

    All das ist ein Bestandteil der im Kapitalismus allgegenwärtigen Gentrifizierung, also der Veränderung der sozialen Zusammensetzung eines Stadtteils, wobei die ursprünglichen Anwohner:innen durch kaufkräftigere soziale Schichten verdrängt werden. Gentrifizierung findet nicht nur auf dem Wohnungsmarkt statt, wo sich immer weniger Menschen eine gut gelegene Wohnung leisten können und aus ihren angestammten Stadtteilen in die Peripherie umziehen müssen. Auch in öffentlichen Räumen können wir Gentrifizierung beobachten. Neben der Kommerzialisierung sollen auch Kameraüberwachung, willkürliche Polizeikontrollen und obdachlosenfeindliche Architektur dafür sorgen, dass der Stadtteil stets „sauber“ und „vorzeigbar“ ist, genau wie vom Stadtmarketing erträumt. Soziale Probleme, die das kapitalistische System gesetzmäßig hervorbringt – Armut, psychische Krankheiten, Obdachlosigkeit, Drogenmissbrauch, Gewalt – werden so nicht gelöst, aber so gut es geht aus dem Sichtfeld verdrängt. Das soll den Stadtteil attraktiv für Investor:innen und Vermieter:innen machen.

    Auch den Tourist:innen will man ein appetitliches Stadtbild bieten. In verschiedenen europäischen Großstädten leiden die Einwohner:innen zunehmend unter der Touristifizierung: Der Stadtteil wird zum Erlebnispark für Tourist:innen, in dem die Lebensqualität der Einwohner:innen keine Rolle spielt. Plattformen wie Airbnb, die dringend benötigten Wohnraum für die touristische Nutzung zweckentfremden, verschärfen die Situation.

    Auch beim Thema Mobilität entspricht die Stadt heute nicht den Bedürfnissen der Einwohner:innen. Im von der Automobilindustrie bestimmten Deutschland ist die Mobilität maßgeblich durch den Individualverkehr geprägt. Die Profite der Autobauer sind also wichtiger als die Lebensqualität in der Stadt. Mehrspurige Straßen und stehende Autos – ob nun im Stau oder am Straßenrand geparkt – belegen enorm viel Fläche. Diese könnte wesentlich besser genutzt werden, beispielsweise für Grünflächen, Sitzgelegenheiten und breitere Wege für Fußgänger:innen und Radfahrer:innen.

    Der Fokus auf den Autoverkehr geht damit einher, dass der ÖPNV kaputt gespart wird. Während das Schienennetz dringend ausgebaut werden müsste, fließt in Deutschland weitaus mehr Geld in Straßen als in die Schiene. Der ÖPNV entspricht nicht annähernd dem, was nötig wäre, um das Grundbedürfnis Mobilität zu decken. Dabei sind auch die ÖPNV-Tickets für viele unerschwinglich. Alle, die schwarzfahren, werden dann mit drakonischen Strafen bis hin zum Knast belegt.

    Die vielen Autos sorgen zudem dafür, dass Städte verschmutzt werden – mit Lärm wie mit Schadstoffen. Durch den Klimawandel, den blanken Beton und den Mangel an Grünflächen und Bäumen heizt die Stadt sich zudem auf. In südeuropäischen Städten suchen Anwohner:innen sich auf dem Handy mittlerweile nicht mehr die kürzeste Route, um von A nach B zu kommen, sondern den schattigsten Weg, da die Hitze sonst kaum zu ertragen ist. Das wird auch in Deutschland für immer mehr Menschen Realität.

    Die Stadt nach unseren Vorstellungen

    Die Stadt, wie wir sie uns vorstellen, sieht grundlegend anders aus. Städte müssen anhand der Bedürfnisse der Menschen, die darin wohnen, gestaltet werden, nicht nach denen der Banken und Konzerne. Es darf also nicht darum gehen, Städte zu möglichst effizienten Orten der Ausbeutung zu machen, wo die Kapitalist:innen größtmögliche Profite generieren können. Wir müssen uns die Frage stellen, wie wir die Stadt so gestalten können, dass sie eine möglichst hohe Lebensqualität für uns, die Arbeiter:innenklasse bietet.

    Klar ist, dass eine solche Stadt bezahlbar sein muss. Die Lösung der Wohnungsfrage ist also entscheidend, um eine Stadt nach unseren Vorstellungen zu schaffen. Dies ist unter kapitalistischen Bedingungen nicht möglich – um die Wohnungsfrage konsequent zu lösen, müssen wir den Sozialismus erkämpfen. Horrenden Mieten und Verdrängung muss ein Ende gesetzt werden.

    Ein weiterer Schlüssel für die Lebensqualität liegt in einer guten und verlässlichen Infrastruktur. Die Dinge des täglichen Bedarfs sollten für alle gut erreichbar sein, ob nun fußläufig oder mit dem ÖPNV. Die Stadt muss ein lebendiger Ort sein, an dem alle Menschen gleichermaßen teilhaben können, unabhängig von ihrem Geldbeutel. Stadt geht eben auch ohne Konsumzwang und teure Tickets.

    Grüne Parks mit Sportstätten, Mülleimern und öffentlichen Toiletten sowie vielfältige Freizeitangebote für jung und alt sorgen dafür, dass Menschen im Stadtteil zusammen kommen und sich begegnen, anstatt vereinzelt und isoliert zu leben. An die Stelle von kommerziellen Großevents werden Stadtteilfeste treten, die den kulturellen Austausch fördern und ein solidarisches Miteinander erlebbar machen. Die heute allgegenwärtige Werbung sollte durch Kunst ersetzt werden.

    Eine solche, lebendige Stadt entsteht nicht am Reißbrett eines Architekturbüros oder im Meeting einer Marketingagentur. Sie kann nur entstehen, wenn die Menschen in den Stadtteilen selbst Verantwortung übernehmen und ihren Wohnblock, ihre Straße und ihr Viertel zu einem besseren Ort machen. In einer sozialistischen Gesellschaft, die in einer Rätedemokratie organisiert ist, spielen die politische Teilhabe und die bewusste Gestaltung des Alltags und der eigenen Umgebung eine wichtige Rolle im Zusammenleben.

    Unser Kampf heute

    Schon heute nehmen wir bewusst eine aktive Rolle in unseren Stadtteilen ein und setzen uns dort für mehr Vernetzung und mehr solidarisches Miteinander ein. Wir organisieren Stammtische, gemeinsame Abendessen und Stadtteilfeste, die ganz praktisch zeigen: Zusammen können wir etwas Positives bewirken. Auch wehren wir uns, wenn Staat und Kapital uns schikanieren und die Infrastruktur in unseren Stadtteilen kaputt sparen oder sie uns gänzlich wegnehmen wollen. Für das Jugendzentrum ist angeblich kein Budget mehr vorhanden? Das Schwimmbad wird geschlossen? Und die Kindertagesstätte gleich mit? Wir kämpfen zusammen gegen solche Angriffe und sagen ganz klar: Das ist unser Stadtteil, wir lassen uns das nicht gefallen!

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