[Berlin] Warum wir von „Profitlogik“ sprechen, wenn wir über den Berliner Senat, den Bezirk Lichtenberg und die SozDia reden

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Zum Jahresende sollten der „Linse“ in Lichtenberg still und heimlich die Lichter ausgeknipst werden. Seitdem wir, das Solidaritätsnetzwerk Berlin, gemeinsam mit Nutzer:innen der „Linse“ und Nachbar:innen für den Erhalt des Jugendclubs kämpfen, ist die von Senat, Bezirk und Träger geplante Schließung endlich ein Thema. Wir haben auf mehreren Kundgebungen und einer Demonstration sowie mit unzähligen Flugblättern, Plakaten und Wandzeitungen bei vielen Menschen ein Bewusstsein dafür geschaffen, was eigentlich gerade vor sich geht: Nämlich, dass die Jugendarbeit in einem Jugendclub wie der Linse in diesem kapitalistischen und profitgesteuerten System, in dem wir leben, keinen Platz hat und deswegen zusammengekürzt werden soll!

Seitdem wir für den Erhalt der Linse mobilisieren, sind immer wieder Vertreter:innen aus der Bezirkspolitik und von der SozDia auf uns zugekommen.  Auch wenn sie nun so tun, als würden sie den Dialog mit uns suchen, so sind ihre ‚Angebote‘ bis jetzt nur Alibis und Ausflüchte, um nicht als Verantwortliche für die Schließung dazustehen. Doch die Argumentationen sowohl von Bezirk als auch von der SozDia-Stiftung sind widersprüchlich, und offenbaren nur noch deutlicher, warum die kapitalistische Profitlogik Freiräume wie die „Linse“ systematisch zerstört.

Immer wieder heißt es von Bezirk und Stiftung: Es fehlt am Geld für den Erhalt des Jugendclubs. Warum ist das so? Wir als sozialistische Organisation betonen immer wieder, wie absurd ein System ist, in dem 100 Milliarden Sondervermögen für die Bundeswehr bereitgestellt werden, die Ausgaben für Bildung, Soziales und Gesundheit aber immer mehr zusammengekürzt werden. Warum werden aber 100 Milliarden für die Bundeswehr ausgegeben? Weil der deutsche Staat mit der Aufrüstung die Interessen der deutschen Weltkonzerne im internationalen Konkurrenzkampf schützt – das ist „Profitlogik“!

Um das wenige öffentliche Geld, was für die Jugendarbeit am Ende nach den ganzen bürokratischen Verteilvorgängen insgesamt übrigbleibt, konkurrieren verschiedene Träger. Die Träger müssen Finanzierungspläne vorlegen, Kosten sparen und Projekte davon abhängig machen, wie wirtschaftlich diese betrieben werden können. Verschiedene Bereiche der Sozialen Arbeit wie die klassische offene Jugendarbeit und die Unterbringung für minderjährige Geflüchtete werden so gegeneinander ausgespielt und müssen um Gelder konkurrieren. In diesem Konkurrenzkampf werden von Trägern die Personalkosten immer weiter gesenkt, um Projekte möglichst „wirtschaftlich“ zu gestalten und die Fördergelder durch die Behörden überhaupt zu bekommen – das heißt nichts anderes, als Projekte wie Jugendarbeit oder Unterbringung von Geflüchteten möglichst kostengünstig für den Staat umzusetzen. In Berlin arbeitet eine nicht unbedeutende Menge von Sozialarbeiter:innen deswegen zu Bedingungen, die sie zu Aufstocker:innen machen. Auch der Berliner Senat und der Bezirk Lichtenberg verteilen nach diesen Prinzipien die Gelder, auch die SozDia unterliegt diesem Zwang zur Ausbeutung. – das ist „Profitlogik“!

Wir als sozialistische Organisation sagen: wir wollen nicht, dass Arbeiter:innen ausgebeutet werden. Wir wollen auch nicht entscheiden müssen, ob wir Jugendarbeit ODER Unterkünfte für Geflüchtete haben können – wir wollen beides, weil beides im Interesse unserer Klasse ist! Für uns steht dabei fest: Wer sich den Zwängen des Staates unterwirft und die Kürzungen einfach an die Jugendlichen weiterreicht, steht nicht auf unserer Seite. Den großen Zusammenhang können wir in aller Kürze so beschreiben: Konzerne wollen Profit machen – Konzerne konkurrieren um Einfluss, Absatzmärkte, Ressourcen und Arbeitskräfte – der deutsche Staat vertritt die Interessen der Konzerne und stellt dafür Geld zur Verfügung, für Soziales, Bildung und Gesundheit deswegen aber immer weniger. Senat, Bezirk und SozDia verwalten, zwar ganz am Ende dieser Kette aber eben doch als Teil von ihr, das Streben der Konzerne nach größtmöglichem Gewinn – das ist „Profitlogik“!

Warum stellen wir also die Verantwortung von Senat, Bezirk und SozDia so heraus? Denken wir zum Beispiel, dass in der SozDia und im Senat oder im Bezirk „böse“ Menschen arbeiten? Nein, wir denken sogar, dass viele der Menschen, die im Bezirk und in der SozDia Jugendarbeit machen wollen, es gut meinen. Doch trotzdem sind wir überzeugt: Wer denkt, dass man in diesem kapitalistischen System mitspielen kann und durch „weniger“ kapitalistisches Handeln etwas verbessern kann, der irrt sich gewaltig. Am Ende verwalten Bezirk und Senat das Elend, was uns das kapitalistische System eingebrockt hat – das ist „Profitlogik“!

Immer wieder werden, anstatt von dieser Profitlogik zu sprechen, andere Gründe für die Schließung der „Linse“ ins Feld geführt. SozDia, Bezirk und Senat zeigen dabei ständig mit dem Finger gegenseitig auf sich. Und ja, es stimmt, dass das Theater an der Parkaue ausgebaut wird und deswegen die „Linse“ von einer riesigen Baustelle umgeben ist. Ja, die Deutsche Bahn rückt immer näher mit ihren Bauten an den Jugendclub heran. Ja, die „Linse“ ist baufällig. Aber das sind alles keine Gründe, warum der Jugendclub jetzt schließen muss. Wir wissen: Der Jugendclub muss schließen, weil es keinen politischen Willen gab, ihn zu erhalten – und weil sowohl Senat als auch Bezirk als auch SozDia sich jahrelang nur halbgar um die „Linse“ gesorgt haben und ihr Ende wissentlich in Kauf genommen haben. Wenn Bezirk und SozDia heute auf uns zugehen und sagen, dass sie uns unterstützen wollen, neue Räume zu finden, dann sagen wir: Ihr hättet schon vor Jahren etwas unternehmen können – aber ihr habt unsere Interessen nicht vertreten. Denn letztendlich – und das ist die „Profitlogik“ – seid ihr Teil von einem System, das nicht unsere Interessen vertritt.

Deswegen haben wir uns entschlossen, nun das Heft des Handelns selbst in die Hand zu nehmen. Deswegen kämpfen wir nun selbst für die „Linse“, anstatt uns weiter auf euch zu verlassen. Und deswegen hängen überall im Stadtteil unsere Plakate und unsere Wandzeitungen, deswegen liegen in so vielen Wohnungen bereits unsere Flugblätter, deswegen sagen wir bei jeder Kundgebung: Es ist die Profitlogik im kapitalistischen System, die für die Schließung der „Linse“ verantwortlich ist! Und es ist dieses System und alle seine Institutionen, das wir überwinden wollen!

Liebe Linse-Nutzer:innen, liebe Nachbar:innen, liebe alle, die von der ewigen Profitlogik und der Ausbeutung in diesem kapitalistischen System genug haben. lasst uns gemeinsam aktiv werden, lasst uns deutlich machen: DIE LINSE MUSS BLEIBEN; DIE PROFITLOGIK MUSS VERSCHWINDEN!

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