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Egal in welcher gesellschaftlichen Form wir leben – es wird immer kranke oder alte Menschen geben, es wird Geburten und Sterbefälle geben. Eine Gesellschaft, in der allerdings Krank-Sein, ein Kind bekommen oder Sterben dem Profit untergeordnet wird, ist eine Gesellschaft, in der Vieles falsch läuft.

Zwei-Klassen-Medizin

In Deutschland leiden wir unter einer Zwei-Klassen-Medizin: Menschen mit gesetzlicher Krankenversicherung bekommen schlechtere oder weniger Behandlung, privat Versicherte bekommen meist zu viele diagnostische Untersuchungen oder Operationen, da es mehr Geld einbringt. Unser gesetzliches Krankenkassensystem deckt bei weitem nicht unsere gesundheitlichen Bedürfnisse ab, so müssen ab einem Alter von 18 Jahren Brillen, zahnärztliche Maßnahmen oder orthopädische Hilfsmittel selbst bezahlt werden. Auch gibt es kein Medikament umsonst, manche Medikamente werden nicht verschrieben und selbst bei den verschriebenen Medikamenten müssen wir immer einen Aufpreis selbst zahlen. Jede/r dritte PatientIn hatte schon das Gefühl, dass ihm bzw. ihr Behandlungen oder diagnostische Verfahren vorenthalten wurden und fast jede zweite Ärztin oder jeder zweite Arzt bestätigen, dass dieses Problem auch bei ihnen schon vorgekommen ist.

Absurdes Behandlungssystem

Diese Form der Unterbehandlung kommt bei gesetzlich Versicherten weitaus häufiger vor als bei privat Versicherten. Aber neben der Unterbehandlung kommt es auch zu Überbehandlungen: Das heißt, es werden bei PatientInnen besonders viele und invasive medizinische Maßnahmen durchgeführt. Bei diesen Maßnahmen geht es nicht darum, den PatientInnen eine bestmögliche Behandlung zu gewährleisten. Nein, es geht um die Gewinne, die dabei herausgeschlagen werden können. Zum Teil werden Behandlungen aufgeteilt, da es mehr Geld einbringt, teuere Geräte zweimal oder mehrfach bei einem/er PatientIn zu nutzen.
Die unnötige Aufteilung der Behandlung hat sich erhöht, seitdem Krankenkassen pauschal für jede Behandlung eine bestimmte Menge an Geld geben (“Fallpauschale”). Das bedeutet, dass es pro Krankheitsbehandlung nur eine bestimmte Geldmenge gibt – egal ob die Behandlung 3 Tage oder 3 Wochen dauert. Werden Patient*innen entlassen, kommen aber kurze Zeit wieder ins Krankenhaus, weil sie nicht richtig ausgeheilt waren, kann das Krankenhaus doppelt kassieren. So werden absurde Anreize gesetzt. Häufig werden PatientInnen – besonders gesetzlich Versicherte – zu früh aus den Kliniken entlassen (sogenannte “blutige Entlassungen”), weil es sich nicht mehr rentiert, sie zu behandeln. Das führt zu längeren Genesungsphasen, vermeidbaren Folgeerkrankgungen und Infektionen und/oder zu mehr Klinikaufenthalten.
Aber auch die Behandlungsmethoden selbst orientieren sich oft nicht am Wohl der PatientInnen. Ein Internist beschreibt diese Ausbeutung von Krankheit am Beispiel eines Diabetikers, mit einem diabetischen Fußsyndrom: Die Versorgung des Fußes auf konservative Art würde dem Krankenhaus nur 3.000 Euro einbringen, aber dem Patienten den Fuß abzunehmen bringt dem Krankenhaus 10.000 Euro. Es ist also viel lukrativer, dem Patienten sein Bein abzuschneiden, als es mit Medikamenten und anderen medizinischen Maßnahmen heilen zu lassen.

Privatisierung

Die Privatisierung der Krankenhäuser und Pflegeheime steigt seit 1985 stetig an. So hat sich die Zahl der privaten Träger in den letzten 30 Jahren verdoppelt. In den Leitungen staatlicher oder kirchlicher medizinischer Einrichtungen werden vermehrt Ökonomen eingesetzt, die ihre Einrichtung wie ein profitorientiertes Unternehmen führen. Die ärztlichen und pflegerischen Leitungen haben immer häufiger nur eine beratende, statt eine leitende Funktion für die Einrichtung.

Personalmangel

Um Ausgaben zu sparen, werden AltenpflegerInnen, KrankenpflegerInnen, Reinigungsfachkräfte, SozialarbeiterInnen, Küchenpersonal, ÄrztInnen und Hebammen entlassen oder trotz hervorragender Qualifikation nicht eingestellt werden. Es ist zu einer massiven Unterbesetzung, vor allem im pflegerischen und ärztlichen Bereich, gekommen. Die PflegerInnen und AssistenzärztInnen müssen die Versorgung unter immer größerem Druck gewährleisten – und das bei immer mehr PatientInnen.
In Krankenhäusern fehlen mehr als 100.000 PflegerInnen, in Pflegeeinrichtungen zwischen 40.000 und 60.000. In Deutschland kommen in Krankenhäusern durchschnittlich 13 PatientInnen auf eine Pflegekraft, in Pflegeheimen sind es meistens noch mehr. Auf Intensivstationen kommen auf eine Pflegekraft 3 IntensivpatientInnen. In den USA oder in der Schweiz kommen auf normalen Stationen nur 5-6 PatientInnen auf eine PflegerIn, auf der Intensivstation gibt es eine Eins-zu-Eins-Pflege. Studien zeigen, dass ein schlechterer Pflegeschlüssel zur erhöhten Sterblichkeit der PatientInnen führt. Das Personal wird dazu aufgefordert, immer wirtschaftlicher zu handeln und dabei die Gesundheit der Patient*innen zu vernachlässigen. Diese Zustände kosten täglich Menschenleben!

Miserable Arbeitsbedingungen

Am Schluss sind es die Menschen, die gesundheitliche Hilfe brauchen, die einen immensen Nachteil haben. Aber es leiden nicht nur die Menschen, die versorgt werden müssen, sondern auch die ArbeiterInnen werden immer höherem Druck ausgesetzt. Ihnen wird die Zeit genommen, sich in angemessener Weise um ihre PatientInnen zu kümmern. Sie leiden unter Schlafstörungen und psychischen Problemen, schieben Doppeldienste, machen Überstunden, arbeiten Tag und Nacht, an Weihnachten und Silvester. All das leisten sie mit dem nur vage fassbaren Gefühl, dass sie in einem Gesundheitssystem arbeiten, in dem nicht der Mensch an erster Stelle steht, sondern nur wichtig ist, wie viel Geld aus kranken und alten Menschen herausgepresst werden kann. Gerade weil viele PflegerInnen den Beruf mit dem ehrlichen Wunsch, Menschen zu helfen und zu heilen, begonnen haben, gibt es am Ende für die Psyche der PflegerInnen oft nur zwei Auswege: den Burn-out oder zynisch zu werden.

Schluss mit diesem Gesundheitssystem

Ein System, das Menschen lieber den Fuß abschneidet, anstatt eine weniger gewinnbringende Behandlung zu benutzen, hat seine Prioritäten falsch gesetzt.
Ein System, in dem PflegerInnen aufgefordert werden, privat Versicherten mehr Zuwendung und Aufmerksamkeit zu schenken, als gesetzlich Versicherten, hat seine Prioritäten falsch gesetzt.
Ein System, welches soziale Berufe so unattraktiv gestaltet, dass diese Arbeit kaum jemand machen möchte, hat seine Prioritäten falsch gesetzt.
Wir fordern:
  1. Krankenhäuser und Pflegeheime in gesellschaftliche Hand – kein Profit mit kranken Menschen!
  2. Auflösung der privaten Krankenkassen – eine Kasse, in die Alle einzahlen!
  3. Schluss mit dem System der Fallpauschalen!
  4. Faire Arbeitsbedingungen und gerechten Lohn für Pflegekräfte und AssistenzärztInnen! Beendigung der Ausbeutung von SaisonarbeiterInnen im Pflegebereich!
  5. Einen Pflegeschlüssel, der auf die Bedürfnisse der Patient*innen abgestimmt ist!
  6. Die Krankenkassenbeiträge müssen vollständig von den Unternehmen bezahlt werden!
  7. Übernahme aller medizinischer Behandlungen und Therapien durch die Krankenkassen!

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