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+++ Interview mit einer Kollegin die von Kötter bei Alnatura eingesetzt wird+++
Vor wenigen Tagen haben wir einen Post veröffentlicht, der einiges an Aufmerksamkeit erregt hat. Wir veröffentlichten eine harrsche Whatsapp-Nachricht von einer Kötters-Leitungskraft an SupermarktarbeiterInnen, die im Bio-Markt Alnatura eingesetzt werden.
Mittlerweile hat Alnatura erklärt, den Vorwürfen nachgehen zu wollen. Zwischenzeitlich haben wir die Kollegin genauer über die Arbeitsbedingungen bei der Leiharbeitsfirma Kötter und auch bei Alnatura befragt. Arbeitshetze, fehlende Schutzausrüstung, Schwindel, Profitmaximierung – von all dem kann man im Interview mit der Kollegin Anna R.* lesen.
Es wird also immer mehr wozu sich Alnatura äußern muss. Deshalb wiederholen wir und erweitern nochmal unsere Forderungen:
– Stellungnahme von Alnatura und Kötter zu allen Vorwürfen
– Ausreichend Schutzkleidung (Schutzschuhe, Schutzmasken, Handschuhe) für die KollegInnen, auf Kosten des Unternehmens
– Rücknahme der Arbeitsanweisung zur Erhöhung der Arbeitsintensität
– Klare und feste Arbeitszeiten
– Festanstellung bei Alnatura, kein Umweg über Leiharbeit!
– Gefahrenzulage für die KollegInnen!
Hier das gesamte Interview mit Anna R.

| Anna erzähl mal, wie sieht ein Arbeitstag bei dir aus?

Ich arbeite als Minijobberin bei Alnatura. Die Zeiten sind immer unterschiedlich wann wir anfangen. Manchmal um 6 Uhr, manchmal um 7, manchmal um 8. Wann wir arbeiten, wissen wir meist am Freitag in der Woche davor. Wenn wir irgendwo einspringen sollen ist es auch manchmal nur einen Tag vorher.
Wir fangen dann pünktlich an. Unsere Aufgabe ist es, die Waren von Paletten richtig in die Regale im Laden einzuräumen. Eine Palette ist ungefähr 80x120cm groß und zwischen 150 und 180cm hoch. Wir müssen dann bei unserer “Palette” das Plastik drumrum wegmachen und dann die Waren, die auf der Palette stehen, richtig einräumen. Dafür sollen wir die in verschiedene Einkaufswägen vorsortieren, damit wir nicht soviel Zeit verbrauchen. Dann muss das ganze eingeräumt werden. Dafür müssen die alten Sachen aus den Regalen ausgeräumt werden und die neuen dahinter platziert werden. 
Die Kartons müssen wir ganz klein falten. Ganz schnell natürlich. Dabei zerkratzen diese uns die Hände. Es bleibt keine Zeit, das ganze Klebeband zu zerschneiden, was das zusammenfalten erleichtern würde.
Wir haben keine festen Arbeitszeiten. Wir arbeiten immer so lang bis alle Paletten weg sind, die da sind. Manchmal arbeiten wir 5 Stunden, manchmal 3, an anderen Tagen nur 1,5 Stunden. Alle haben einen langen Anfahrtsweg, sodass sich diese kurzen Schichten eigentlich kaum lohnen, allerdings sind wir alle auf dieses wenige Geld angewiesen. Weil wir vorher nicht wissen, wie lange wir arbeiten, machen die meisten auch keine Pause. 

| Wie viel Zeit habt ihr für eine Palette?

Zu Beginn wurde uns gesagt, dass wir pro Person pro Palette 3 Stunden Zeit haben. Das heißt wenn wir zu dritt sind, haben wir eine Stunde pro Palette. Wenn man eine Palette hat, wo ein Teil Klopapier ist, kann das reichen. Wenn es aber viele kleine und schwere Kartons sind, reicht die Zeit eigentlich nicht aus. 
Jetzt ab dem 1. Mai sollten wir dann die Vorgaben strikt einhalten, sonst wurde uns mit Kündigung gedroht, wie man ja auch in der Whatsapp-Nachricht lesen kann.

| Wie sieht es mit dem Arbeitsschutz aus?

Seitdem es Maskenpflicht gibt, haben wir von Kötter zwei billig verarbeitete Stoffmasken bekommen. Das sind keine Einmalmasken und wirkliche Schutzmasken sowie so nicht. Davor gab’s gar nichts an Schutzmaßnahmen für uns.
Zu Beginn meiner Arbeit habe ich übrigens von Kötter keine Handschuhe bekommen. Die hat mir dann eine Alnatura-Mitarbeiterin gegeben. Eigentlich bräuchten wir auch noch Schutzschuhe, weil wir ja mit Hubwägen arbeiten, die haben wir aber auch nicht bekommen. Nur eine Weste und ein Messer habe ich bekommen, dafür wurden mir 25€ vom Lohn abgezogen.
Außerdem müssen wir für die oberen Fächer der Regale auf wackelige Hocker steigen. Durch das ständige Aufstehen und Hinknien plagen viele über Schwindel. Langsamer dürfen wir dann allerdings nicht werden.

| Wie finden die anderen MitarbeiterInnen die Arbeitsbedingungen?

Insgesamt sind wir sechs KollegInnen in meinem Team. Meistens sind wir vier KollegInnen in einer Schicht. Leider habe ich nicht soviel Kontakt mit den meisten. Aber von denjenigen mit denen ich gesprochen habe, arbeitet keiner gerne dort. Z.B. waren viele  sauer wegen der Masken, dass uns schon von vornherein gesagt wurde, dass die schlecht verarbeitet sind und stinken sollen und wir dann trotzdem so einen Schrott bekommen haben. Bis auf eine Person sagten alle, dass sie kündigen werden, sobald es wieder möglich ist, woanders Arbeit zu finden.

| Was weist du über die Zusammenarbeit von Kötter und Alnatura?

Kötter arbeitet soweit ich weiß erst seit Anfang April mit Alnatura zusammen. 2 Wochen später wurden die Teamchefs ernannt. Diese sollen die Zeiten von uns eintragen und dafür sorgen, dass wir schneller arbeiten. Bereits vor dem ersten Mai hat die Teamchefin angefangen uns Ansprachen zu halten, dass wir ab Mai in vorgegebener Zeit fertig sein müssen. Die Firma Kötter wird jetzt wohl nicht mehr pro MitarbeiterIn bezahlt, sondern pro Palette. Folglich ist es für sie nun leichter, den Profit zu maximieren, indem sie uns hetzen. 
Wir werden von Kötter in der Alnatura-Filiale in Weiden (Aachener Straße 1141) und im belgischen Viertel eingesetzt. Außerdem sind Leute für die Firma noch in Ehrenfeld und an der Severinstraße, die anderen Läden weiß ich nicht. Die Teamchefin sagte anfangs etwas von Provision, wenn wir schneller arbeiten. Der Stellvertreter weiß davon nichts. Es kann aber sein, dass die Teamchefin dennoch einen Bonus bekommt, wenn wir die Zeit einhalten. Dies würde ihre übertriebene Freude erklären, wenn wir pünktlich fertig wurden. Ansonsten bekommen die beiden nur 50 Cent mehr pro Stunde als wir und haben auch befristete Verträge.  

| Wie findest du das Verhalten von Kötters und Alnatura?

Also bei Kötter: Richtig Scheiße. Das ist ziemlich ausbeuterisch, ist halt ne Leiharbeitsfirma. Und bei Alnatura: ich kann mir nicht vorstellen, dass die nicht wussten wie Kötter drauf ist. Und ich glaube, dass sie jetzt nur was sagen, weil es Aufmerksamkeit in den Sozialen Medien gab. Und denen das sonst auch egal wäre. 
Alnatura hat beschlossen die Firma Kötter nur noch nach Palette zu bezahlen. Also haben die denen die Steilvorlage gegeben, uns besser ausbeuten zu können. Desweiteren hätte Alnatura natürlich auch die Möglichkeit gehabt, Minijobber direkt anzustellen und nicht über eine Leiharbeitsfirma. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass der Lohn von festen Aushilfen in Biomärkten bei 12,50 € die Stunde liegt. 
*Wir haben den Namen der Kollegin geändert, er ist uns aber bekannt.

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